Brexit-Deal: Auch wir können uns mehr Zugeständnisse sichern!

Wie angekündigt, hat der Brexit-Deal die Diskussion rund um das Rahmenabkommen in den letzten Tagen befeuert. Wir stellen fest, dass das Vereinigte Königreich (UK) wesentliche Zugeständnisse von der EU erhalten hat:
  • Keine automatisierte Rechtsübernahme
  • Keine materielle Überprüfung von Streitfällen durch den EuGH, sondern durch ein unabhängiges Schiedsgericht
  • Keine Guillotine-Klausel zur Suspendierung oder gar Kündigung von Verträgen
Diese Zugeständnisse umfassen genau die souveränitätspolitischen Themenkreise, welche der Bundesrat bisher stets umschiffen wollte. Nun zeigt, sich; man kann mit der EU auch darüber verhandeln! Standfestigkeit zahlt sich aus. In den letzten Tagen war in der Presse oft zu lesen, dass die Situation von UK und der Schweiz nicht miteinander zu vergleichen seien. Ja, UK bewegt sich weg vom Binnenmarkt und hat jetzt erstmals ein Freihandelsabkommen mit der EU. Die Schweiz hat diesen Status seit dem Freihandelsabkommen 1972, und wir haben die Beziehungen mit der EU seither über die Bilateralen I und II intensiviert. Dadurch haben wir in einigen Bereichen erleichterten Zugang zum Binnenmarkt, wir sind aber nicht Teil davon. Mit diesen handelsrechtlichen Grundlagen – Bilaterale I und II sowie das Freihandelsabkommen 1972 –  sind wir UK um Meilen voraus. Kompass / Europa ist den Bilateralen I und II verpflichtet, unterstützt auch explizit die Personenfreizügigkeit und steht selbstverständlich auch hinter dem Freihandelsabkommen mit der EU. Es steht ausser Frage, dass man Verträge mit wichtigen Handelspartnern überprüft und gegebenenfalls modernisiert. Aber es gibt keinen vernünftigen Grund, unsere Souveränität Preis zu geben. Das Rahmenabkommen ist abzulehnen:
  • Es zwingt uns, EU Recht zu übernehmen und macht uns zu einem Passivmitglied ohne Mitsprache;
  • Es ist ein Betrug am Stimmvolk. Die Bilateralen wurden «uns» als statische und jederzeit kündbare Verträge verkauft. Nun wird die Rechtsübernahme auch in den Bereichen der Bilateralen dynamisiert;
  • Es schwächt unsere Verhandlungsposition. Die EU kann Kraft ihrer Verhandlungsmacht jederzeit auf zusätzliche Abkommen oder gar auf eine Ausdehnung des Geltungsbereichs, beispielsweise Richtung Steuerpolitik drängen;
  • Es setzt unsere strategische Verteidigungslinie, das Freihandelsabkommen 1972 unnötig aufs Spiel. Ohne das Freihandelsabkommen rücken wir in den Beziehungen mit der EU auf ein Feld hinter UK.
Es ist evident, dass unser politisches System mit seinen einzigartigen Volksrechten einen erfolgreichen Rahmen und erfolgreiche Standortvorteile geschaffen hat, welche für unser Land und seine Bewohner überdurchschnittlichen Wohlstand ermöglicht hat. Daran müssen wir festhalten. Kompass / Europa will den bestehenden bilateralen Weg mit der EU weiterführen, und zwar auf Augenhöhe und ohne Androhung von Ausgleichsmassnahmen oder Bussen. Der Rahmenvertrag ist der falsche Weg und führt in eine Sackgasse ohne Handlungspielraum für die kommenden Generationen. Für die Schweiz steht viel auf dem Spiel. Wir müssen in harten Verhandlungen sektorielle Abkommen (z.B. im Energiebereich oder der Forschungs- und Bildungszusammenarbeit) erreichen. Das hat seinen Preis, wird Zeit und Geld kosten und wird uns vielleicht auch dann und wann zur Aufgabe einer Position veranlassen. Aber unser Staatsverständnis und unsere direktdemokratischen Rechte lassen wir uns nicht schleichend nehmen.