Offene Fragen zum Schiedsgericht führen zu Rechtsunsicherheit

Wichtige Fragen zur Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsübernahme durch die Schweiz sind im Rahmenabkommen nicht abschliessend geregelt und schaffen Rechtsunsicherheit. Weder die Kompetenzen des Schiedsgerichts noch dessen Stellung gegenüber der EU-Legislative sind eindeutig und abschliessend definiertSo ist es offen, ob das Schiedsgericht über die Kompetenz verfügt, die Normen abstrakt oder nur anlässlich eines konkreten Einzel- resp. Streitfalles zu prüfen. Ebenfalls nicht abschliessend geklärt ist die Frage, ob die Schweiz EU-Recht bereits dann übernehmen muss, wenn ein entsprechendes Verfahren vor dem EuGH noch hängig resp. noch nicht abgeschlossen ist.  Gemäss Rahmenvertrag kann das Schiedsgericht keine vorläufigen Massnahmen treffen. Das Verfahren vor dem Schiedsgericht kann deshalb keine aufschiebende Wirkung entfalten. Nach dieser Lesart müsste die Schweiz Rechtsanpassungen bereits dann übernehmen, wenn das entsprechende Verfahren beim angerufenen Schiedsgericht noch hängig ist. Da die Rechtsprechung des EuGH Monate oder Jahre in Anspruch nehmen kann, entsteht eine Situation, in der die Schweiz EU-Recht zwingend übernehmen muss, ohne dass der EuGH abschliessend und verbindlich geurteilt hätte.   Mit einer derartigen Situation konfrontiert, stünden der Schweiz zwei Optionen zur WahlEntweder fügt sich die Schweiz dem Druck der EU und nimmt die Rechtsanpassung vor, um sie nach einem allfälligen Urteil des Schiedsgerichtes wieder rückgängig zu machen. Oder die Schweiz verzichtet – zumindest bis eine Entscheidung des Schiedsgerichtes vorliegt – vorerst darauf, die Rechtsanpassungen vorzunehmen und muss als Konsequenz aber mit Gegenmassnahmen der EU rechnen.  Die geschilderte Situation wirft in beiden Fällen viele Fragen auf und untergräbt die Rechts- und Planungssicherheit für die betroffenen Akteure – insbesondere die der Unternehmen. Das Fehlen mittel- und längerfristig verbindlicher Rechtsgrundlagen, bis das Schiedsgericht geklärt hat, ob die Schweiz eine Rechtsanpassung vornehmen muss oder nicht, wird in der Praxis zu einem Wildwuchs an Interpretationen, Auslegungen und Handlungsempfehlungen führen, solange nicht klar ist, welche Regeln mit welcher Verbindlichkeit anzuwenden sind. Eine einheitliche Rechtsanwendung wäre damit nicht mehr gegeben. 

Die Schweiz ist weltweit auf starke Handelsbeziehungen angewiesen

Mit einem weitverzweigten Netz von Handelsbeziehungen die Stellung der Schweiz stärken  Die Schweizer Wirtschaft ist international ausgerichtet und auf gute und stabile Handelsbeziehungen zu ihren Exportmärkten angewiesen. Es ist unbestreitbar, dass die EU zu unseren wichtigsten Handelspartnern gehört. Diese Beziehung gilt es zu pflegen und zu entwickeln. Gleichzeitig darf sich die Schweiz nicht einseitig auf einen Handelspartner fokussieren und handelspolitische Freiheiten abgeben: Die Anbindung der Schweiz an die EU mittels Rahmenvertrag bedeutet zwar weniger Barrieren im Handel mit der EU, aber mehr Barrieren zum Rest der Welt. Warum? Weil die EU ein Interesse hat, unserer Handelsbeziehungen mit Staaten ausserhalb der EU dahingehend zu überprüfen, ob diese allenfalls im Widerspruch zu EU-Handelsbeziehungen zu ebendiesen Drittstaaten sind.  Das Handelsvolumen der Schweiz mit dem Rest der Welt ist bereits heute grösser als dasjenige mit der EU. Zudem zeigt der Trend eine weitaus positivere Entwicklung in diesen Märkten – allen voran Asien und Nordamerika, da sie weitaus schneller wachsen (1). Die Bedeutung der Märkte ausserhalb der EU wird für die Schweiz in absehbarer Zukunft weiter zunehmen. Es widerspricht den handelspolitischen Interessen der Schweiz, sich in das Korsett des Rahmenvertrages zwängen zu lassen und die eigene Handlungsfreiheit aufzugeben.  Insbesondere in den Beziehungen zu den USA hat in den vergangenen Jahren eine erfreuliche Entwicklung stattgefunden: Die Schweiz ist in den letzten drei Jahren zum sechstgrössten ausländischen Investor in den USA aufgestiegen. Gleichzeitig haben US-amerikanische Unternehmen die Gelegenheit genutzt, um hierzulande zu investieren (2). Gerade die Innovationskraft der Schweiz sowie die hervorragenden Universitäten und Wissenschafter sind für amerikanische Unternehmen sehr attraktiv. Diese Beziehungen gilt es mit einem Handelsabkommen zwischen der Schweiz und den USA, wie es in den vergangenen Jahren angedacht worden ist, weiter zu vertiefen und zu festigen.   Es liegt im ureigensten Interesse der Schweiz ein dichtes und weitverzweigtes Netz von Handelsbeziehungen in die verschiedenen Weltmärkte zu pflegen. Die Schweiz reduziert damit die Abhängigkeit von einem Handelspartner und ist dadurch widerstandsfähiger bei Druckversuchen.  GrafikExporte der Schweiz nach Handelspartnern in Millionen Schweizer Franken (3)   Quellen: (1) Professor Dr. Reiner Eichenberger, Freie Sicht: Das Rahmengefängnis in: Handelszeitung, 29. Oktober 2020. (2) Ed McMullen, US-Botschafter in der SchweizDas Gespräch: «Enorm profitiert» in: Handelszeitung, 15. Oktober 2020.  (3) Eidgenössische Zollverwaltung